Wasser

Ursprung allen Lebens

Gewässer gehören zu den prägenden Kräften der Erde. Sie schneiden Wege in Gestein, lagern Sedimente ab und formen Täler, die über Jahrtausende bestehen und sich doch stetig wandeln. Auch für die Landschaft des Toggenburgs ist Wasser ein zentraler Faktor: Mit dem Rückzug der Eiszeit-Gletscher entstanden Mulden, in denen sich Seen bildeten und Schmelzwasser bahnte den Flüssen ihre Wege durchs Tal. So entstanden Strukturen, die bis heute sichtbar sind und das Gesicht der Region prägen.

Gewässer sind zugleich Lebensräume von besonderem Wert. Auenwälder etwa gehören zu den artenreichsten Biotopen Mitteleuropas: Sie schützen vor Hochwasser, stabilisieren Böden und bieten zahlreichen Tier- und Pflanzenarten Platz. In Flüssen entstehen durch den Wechsel von Strömung, Überflutung und Trockenheit immer neue Strukturen – Kiesbänke, Seitenarme, Tümpel. Für viele Arten sind diese dynamischen Bedingungen überlebenswichtig, gleichzeitig machen sie Gewässer zu empfindlichen Systemen.

Auch Seen tragen eine besondere Geschichte in sich. Ihre Becken entstanden durch den Druck und das Abschmelzen von Gletschern. Noch heute zeigen sie, wie eng Klima, Boden und Vegetation zusammenwirken: Selbst kleine Temperaturveränderungen oder Einträge von Nährstoffen können das Gleichgewicht stören. Darum gelten Seen als empfindliche Indikatoren im ökologischen Gleichgewicht und sind zugleich wichtige Rückzugsorte für seltene Arten.

Für den Menschen sind Gewässer weit mehr als ein optisches Landschaftselement. Im Toggenburg bildeten sie seit Jahrhunderten die Basis für Landwirtschaft und Handwerk. Sie lieferten Wasser für Wiesen, trieben die Räder von Mühlen und Sägereien an und wurden zur Energiequelle der Textilindustrie. Gleichzeitig verbanden Flüsse die Dörfer, dienten als Orientierung und ermöglichten Brückenbau und Wege. Heute haben sie eine zusätzliche Rolle: Sie sind Orte der Erholung, die Naturerfahrung unmittelbar zugänglich machen.

So zeigt sich im Toggenburg, wie vielfältig die Bedeutung von Wasser ist. Es gestaltet Landschaft, trägt Artenvielfalt, versorgt den Menschen und bewahrt Geschichte. Wer genauer hinsieht, erkennt, dass jedes Gewässer mehr ist als ein Spiegelbild seiner Oberfläche – es ist Teil eines grossen Kreislaufs, der alles verbindet.

Flüsse und Seen

Thur und Necker – Lebensadern, die die Geschichte des Toggenburgs form(t)en

Die Thur und der Necker – sie durchziehen die hügeligen Landschaften von Thur- und Neckertal, folgen alten Linien im Gelände und bewahren Geschichten von Urkräften und Zeit.
Die Thur entsteht bei Unterwasser durch die Vereinigung von Wildhauser Thur und Säntisthur. Der Necker entspringt in der Nähe des Ofenlochs und mündet bei Lütisburg in die Thur. Beide Flüsse haben das Toggenburg über Jahrhunderte geprägt – geologisch, kulturell und wirtschaftlich.
Ihre fruchtbaren Täler förderten die Ansiedlung von Bauernhöfen und Dörfern. Sie waren Lebensgrundlage, Wasserquelle und natürliche Verkehrswege, die den Handel und Austausch zwischen den Gemeinden erleichterten. Im 19. Jahrhundert nutzte die aufstrebende Textilindustrie deren Wasserkraft für den Betrieb von Spinnereien und Webereien, was die wirtschaftliche Entwicklung der Region massgeblich vorantrieb.

Flüsse voller Leben – Die Bedeutung von Thur und Necker für die Natur

Die Uferzonen von Thur und Necker bieten wertvolle Lebensräume für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten.
Typische Auenwaldpflanzen wie Schwarzerle und Silberweide stabilisieren die Ufer und schaffen wichtige Lebensräume. Auf den Schotterbänken wachsen Pionierpflanzen, die sich an die dynamischen Bedingungen der Flüsse anpassen.
In den klaren Gewässern finden Fischarten wie Bachforelle und Äsche ideale Bedingungen, während die Uferbereiche Schutz für Amphibien, Vögel und Insekten wie Feuersalamander, Wasseramseln und Libellen bieten.
Diese Biodiversität macht die Flüsse zu unverzichtbaren Lebensadern der Region. Das Prädikat «Gewässerperlen» durch den WWF Schweiz unterstreicht ihre ökologische Bedeutung. Nachhaltige Bewirtschaftung und Schutzmassnahmen bewahren sie als Lebensraum für künftige Generationen.

Geformt von Eis, gezeichnet vom Wasser – Eine Landschaft im Wandel

Als sich die Gletscher nach der letzten Eiszeit zurückzogen, prägten sie die Landschaft des Toggenburgs.
Der Gräppelensee als auch die Schwendiseen sind Überbleibsel eines eiszeitlichen Gletschers. Ihre Mulden füllten sich mit Schmelzwasser und blieben bis heute bestehen. Andere Seen entstanden durch Niederschläge oder unterirdische Quellen – wie der Schönenbodensee.
Über Jahrtausende haben sich an ihren Ufern Moorgebiete gebildet. Rund um die Schwendiseen, den Gräppelensee und den Schönenbodensee liegen wertvolle Feuchtgebiete, die heute unter Schutz stehen. Sie sind Teil eines empfindlichen Ökosystems, Heimat seltener Pflanzen und Rückzugsort für Tiere.
Und dann gibt es einen See, der keiner ist – den Kältesee. Eine Senke, in der sich statt Wasser die Kälte sammelt. Hier wurden einst bis zu -38,2 °C gemessen, eine der tiefsten je gemessenen Temperaturen der Ostschweiz und kälter als an vielen Wintertagen in der Arktis.