
Erdgeschichte
Die Landschaft des Toggenburgs trägt Spuren, die weit älter sind als Wälder, Flüsse oder Siedlungen. Vor rund 150 Millionen Jahren lag hier ein tropisches Meer, das zum Urmeer Tethys gehörte. Über lange Zeiträume setzten sich die Schalen von Muscheln, Korallen und Kleinstlebewesen am Meeresgrund ab. Unter Druck verfestigten sie sich zu Kalk- und Schiefergestein. Während der Alpenbildung vor etwa 20 bis 40 Millionen Jahren wurden diese Schichten aufgefaltet und zu mächtigen Gebirgen aufgetürmt. Fossilien, die heute noch im Gestein erhalten sind, zeugen von dieser fernen Epoche.
Aus diesen Meeresablagerungen formten sich die markanten Ketten des Alpsteins und die Reihe der Churfirsten. Beide gehören zur sogenannten Säntisdecke. Geologisch sind sie eng verwandt, ihr Erscheinungsbild ist jedoch unterschiedlich. Der Alpstein mit dem Säntis als höchstem Gipfel wirkt massig und vielfältig, durchzogen von Graten, Tälern und zerklüfteten Felsflanken. Die Churfirsten dagegen erscheinen als gleichförmige, steil nach Norden abfallende Mauer. Gemeinsam ist beiden der Aufbau aus kalkigen Gesteinen wie dem Schrattenkalk. Dieser ist besonders stark zur Verkarstung neigend: Wasser löst den Kalk über Jahrtausende auf und formt Rinnen, Dolinen, Karrenfelder und Höhlen. So entstehen die typischen zerfurchten Flächen, die diesen Gebirgen ihr charakteristisches Gesicht geben.
Jünger ist die Entstehung des Nagelfluhgebirges. Vor rund 30 Millionen Jahren lagerten Flüsse Geröllmassen am Alpenrand ab. Unter Druck verfestigten sie sich zu Nagelfluh – einem Konglomerat aus abgerundeten Steinen, Sand und Ton, das wie Naturbeton wirkt. Besonders eindrücklich zeigt sich dies am Speer, dem höchsten Nagelfluhberg Europas. In seinen Felsen sind die Gerölle klar zu erkennen: Kiesel, die einst in Flüssen rollten und nun zu einem festen Gestein verbunden sind.
Die Geologie formt nicht nur die Berge selbst, sondern auch die Böden und damit die Pflanzenwelt, die darauf gedeiht. Kalkreiche Hänge tragen artenreiche Magerwiesen, während Nagelfluhschichten Wasser speichern und Quellen nähren. So zeigt sich, dass das Gestein weit mehr ist als Hintergrund der Landschaft – es wirkt bis in ihre Vielfalt hinein und bestimmt die Grundlagen, auf denen Natur und Leben aufbauen.
Alpstein, Churfirsten und Speer
Mit seinen 1950 Metern ragt der Speer als imposanter Gipfel über das Toggenburg. Im Gegensatz zu den schroff aufragenden Kalksteinmassiven der Churfirsten und des Alpsteins besteht er aus Nagelfluh, einem Konglomeratgestein aus verfestigten Geröllablagerungen.
Vor rund 30 Millionen Jahren, lange nach der Entstehung der Alpen, lagerten Flüsse und Gletscher Gesteinsmaterial in einem riesigen Vorlandbecken ab. Durch Druck und mineralische Bindemittel verfestigten sich diese Ablagerungen zu Nagelfluh, auch «Herrgottsbeton» genannt. Weniger kompakt als Kalkstein, ist sie anfälliger für Erosion: Wie Nägel treten dabei Kieselsteine aus der verwitterten Oberfläche – so kam das Gestein zu seinem Namen.
Seine Silhouette, die an eine Speerspitze erinnert, bildet einen auffälligen Kontrast zu den benachbarten Kalksteinmassiven. Das grobporige Gestein lässt die eingelagerten Gerölle deutlich hervortreten und verleiht dem Berg sein charakteristisches Erscheinungsbild.
Vor rund 150 Millionen Jahren lagerten sich am Meeresgrund Kalk und Sedimente ab, die sich zu mächtigen Gesteinsschichten verfestigten. Mit der Auffaltung der Alpen wurden diese in die Höhe gedrückt – gewaltige Kräfte schufen die Churfirsten und den Alpstein.
Beide Gebirgszüge gehören zur Säntis-Decke und bestehen hauptsächlich aus Kalksteinformationen der Kreidezeit. Besonders prägend ist die Schrattenkalk-Formation mit ihren schichtartigen Strukturen. Über Jahrmillionen schuf die Verkarstung des Kalksteins ein verborgenes Netz aus Höhlen und Wasserläufen. Regen löst das Gestein auf und formt Dolinen, Karrenfelder und unterirdische Quellen.
Höchster Berg des Alpsteins ist der Säntis (2502 m), die sieben markanten Gipfel – Selun (2205 m), Frümsel (2266 m), Brisi (2278 m), Zuestoll (2234 m), Schibenstoll (2235 m), Hinderrugg (2306 m) und Chäserrugg (2261 m) – bilden die imposanten Churfirsten.
